Das war es dann wohl: Nach fast 33 Jahren kam gestern die Nachricht von der Deutschen Messe AG als Veranstalterin der Messe CeBIT (Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation), dass die Veranstaltung in diesem Jahr wohl auch die letzte war.

Das meldeten gestern zuerst die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) und die Deutsche Presseagentur dpa. Dem jetzt überall zu lesenden Abgesang auf den Technologie-Standort Deutschland kann ich mich nur anschließen.

Die Computermesse Cebit ist offiziell Geschichte

Auf der Homepage der Veranstaltung, die einmal die größte Messe der Welt (ja, nicht nur für Computer und nicht nur in Deutschland oder Europa) war, findet sich eine ganzseitige Absage der Messeveranstalter, die das Totenglöckchen für das Event läutet und ersatzweise die Integration „industrienaher“ Digitalthemen der CeBIT in die Hannover Messe ankündigt.

Die Nostalgie des Abschieds

Damit ist es jetzt ganz offiziell: Im Jahr 1986 lief das Event zum ersten und 32 Jahre später im noch laufenden Jahr 2018 zum letzten Mal. Ein solcher Einschnitt spült nostalgische Erinnerungen an eine Zeit hoch ins Bewusstsein,  in der man in der technologischen Entwicklung noch den Fortschritt und die Zukunft sah.

Inzwischen sieht ja so mancher die digitale Technologie, die inzwischen ja auch schon fast jeder als Smartphone in der Tasche oder als Smartwatch am Handgelenk trägt und sich so quasi selbst auf Schritt und Tritt überwacht, eher als Wegbereiter eines galoppierenden internationalen Überwachungs-Kapitalismus an – zu dieser Gruppe gehöre ich inzwischen auch.

Die CeBIT war einmal das Maß aller Dinge

Aber damals, vor über 30 Jahren, als die CeBIT zum ersten Mal ihre Pforten öffnete, bestimmte die Messe für viele Computer- und Netzwerkschaffende der ersten Stunde den Jahresablauf – schon als Studenten sammelten die werdenden Fachleute Prospekte und Giveaways in den berühmten Plastiktüten von der CeBIT.

In Hannover konnte man die neueste Technologie anschauen und offene Fragen klären – ob es um kaufmännische oder rechtliche Details ging oder um technische Lösungen: Nichts war in den Achtzigern exotisch genug, um nicht an irgendeinem Stand gefunden zu werden – die Frage war nur immer, in welcher der vielen Hallen auf dem Messegelände man fündig wurde…

Ich erinnere mich zum Beispiel unter anderem an Hard- und Software zur Verbindung von zwei Standorten eines Kunden über einen Primärmultiplex-Anschluss mit 30 gebündelten ISDN-Leitungen (S2M / PCM30) mit für damalige Zeiten beeindruckenden 2 Megabit pro Sekunde, die mir auf einem CeBIT-Stand vorgeführt wurde.

CeBIT-Karten als Marketing-Instrument

Für wichtige Kunden unseres Systemhauses hatten Eintrittskarten für die CeBIT seinerzeit eine ähnliche Funktion wie der Pirelli-Kalender für die Autobranche – die Freikarten brachten, häufig  zusammen mit der Übernahme der Fahrtkosten mit der Deutschen Bundesbahn nach Hannover, verlässlich neue Kontakte und Aufträge.

Dummerweise ruhten sich Politik, Wirtschaft und auch die Veranstalter der CeBIT, die Deutsche Messe AG, zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus und favorisierten alte Technologien wie Kohlekraftwerke, Verbrennungsmotoren für Autos (das Geschäft lief halt zu gut), Kupferkabel für Internetverbindungen (weil Postminister Schwarz-Schlilling von der CDU Anteile an einer Kupferkabelfabrik in Berlin hatte) und natürlich Waffen aller Art.

Am Ende der Fahnenstange

Das führte dann zum heutigen digitalen Status der Bundesrepublik Deutschland mit den schlechtesten Datennetzen Europas und der Abwanderung von Unternehmen, Technologien und innovativen Fachleuten.

In Deutschland gibt es keinen nennenswerten Smartphone-Hersteller und kein nennenswertes Soziales Netzwerk mehr – und die deutsche Politik sieht die Zukunft immer noch in Kraftwerken und Autos, die die Welt verpesten und Waffen, die in aller Welt Flüchtlingsbewegungen auslösen.

Von Europa mag man dabei schon gar nicht mehr reden, denn auch diese letzte Zukunftsvision des „alten“ Kontinents wird gerade von Populisten in Polen, Ungarn, Italien, Bayern und last nor least den Brexiteers im Vereinigten Königreich erfolgreich gegen die Wand gefahren.

Bei Berücksichtigung der Gesamtlage in Deutschland ist das Ende der CeBIT im Grunde nur die Spitze des Eisberges.

Deutschland macht seinem Ruf als „Neuland“ einmal mehr alle Ehre

Mit der CeBIT in Hannover ist jetzt eine Ära zu Ende gegangen. Diese Entwicklung belegt aber auch, dass hier bei uns nicht nur für Kanzlerin Merkel das Internet und seine Technologie zu einem bis heute immer noch unbekannten „Neuland“ gehören.

Gratulation an die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas und die Mobile World Congress (WMC) in Barcelona und Schande über deutsche Manager und Politiker!